Eröffnung und Preisverleihung am Donnerstag, den 28.11.2002 um 19:00 Uhr
Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen 2002
Auch heuer wieder werden vom Land Tirol vorbildliche Bauten im Bundesland Tirol ausgezeichnet. Gemeinsam mit dem Architekturforum Tirol, der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Tirol und Vorarlberg, Sektion Architekten, der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, Landesverband Tirol, wird die „Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen“ alle zwei Jahre von der Kulturabteilung des Landes Tirol ausgeschrieben.
Kriterien der Ausschreibung
Der Fertigstellungstermin der von ArchitektInnen oder IngenieurInnen geplanten und im Bundesland Tirol errichteten Bauwerke darf nicht länger als drei Jahre zurückliegen. Als Kriterium gilt eine besonders vorbildliche Auseinandersetzung mit den Problemen unserer Zeit sowohl in ästhetischer wie in innovatorischer Hinsicht. Da der Begriff "Neues Bauen" möglichst umfassend aufgefasst werden sollte, beziehen sich die Auszeichnungen nicht nur auf das Fachgebiet Architektur, sondern auch auf Leistungen des Bauingenieurwesens. Arbeiten konnten von jeder Person (ArchitektIn, BauingenieurIn, Baumeister, Bauträger, BauherrIn usw.) eingereicht werden.
Jury
Die Jury bestehend aus
Betinna Götz, Architektin - ARTEC, Wien
András Pálffy, Architekt - Jabornegg & Pálffy, Wien
Dietmar Steiner, Direktor Architekturzentrum Wien
wählte aus 87 Einreichungen 2 Auszeichnungen und 5 Anerkennungen aus.
Ausstellung
Alle 87 eingereichten Projekte werden in der Ausstellung zu sehen sein. Jedes Projekt ist in Form von maximal 6 Karten im A5-Format dokumentiert. Dadurch wird ein möglichst umfassendes Bild der Bautätigkeit in Tirol präsentiert.
Broschüre
Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre, in der die prämierten Projekte ausführlich dokumentiert sind. (Erhältlich im Architekturforum Tirol - gratis)
Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen
Texte aus der Broschüre (Vorwort und Jurytexte):
Vorwort Landesrat Günter Platter
Der Begriff Architektur leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet soviel
wie Baukunst. Die Baukunst steht am Anfang aller Künste und geht naturgemäß weit zurück: Sobald der Mensch sich entschloss, sesshaft zu werden, hatte er für eine ständige Behausung zu sorgen. Baukunst war und ist daher bis zum heutigen Tage von einer Art Zweckbestimmung geprägt und bleibt so auch bis in ihre höchsten Formen gebunden. Architektur ist von allen Künsten daher die wohl zweckgebundenste.
Baukunst ist aber auch Ausdruck eines Ordnungswillens. Bei jedem Haus erkennen wir durch die Verteilung der Räumlichkeiten jene bestimmte Ordnung, die unser Leben regelt. Somit spielen einerseits Funktion und Ökonomik im Rahmen einer wirtschaftspolitischen Betrachtungsweise eine Rolle, andererseits ist aus kultureller Sicht der Bogen jedoch weiter zu spannen, weil sich der Begriff der schöpferischen Leistung hinzugesellt. Diese schöpferische Leistung ist somit in den Mittelpunkt unserer Betrachtungsweise zu stellen und so als wichtige kulturpolitische Aufgabe zu definieren.
Das Bundesland Tirol kann auf seine vielfältige Architekturszene stolz sein, auch wenn deren Engagement noch jung erscheint, wenn man bedenkt, dass z.B. die Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur an der Universität Innsbruck erst im Jahre 1969 errichtet wurde. Die Tiroler Landesregierung setzte mit der Einführung der Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen vor siebzehn Jahren (1985) ein erstes Signal auf politischer Ebene. Das Land Tirol bekundete damit sein hohes Interesse an jenen Projekten, die, ausgewählt von kompetenten Juroren, von der vielgestaltigen Bautätigkeit in unserem Land Zeugnis ablegen.
Mein Dank ergeht an die Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, an die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Tirol und Vorarlberg und ganz speziell an das Architekturforum Tirol sowie an die Juroren, die über die sicher nicht leichte Aufgabe einer Zuerkennung der Projektauszeichnungen bzw. über die Anerkennungspreise selbst zu entscheiden hatten.
Meine aufrichtige Gratulation ergeht an die Preisträger selbst, die mit ihren Projekten wesentlich zum qualitativen Architekturgeschehen in unserem Land Tirol beitragen.
Vorwort Bettina Götz, András Pálffy, Dietmar Steiner
Die zeitgenössische Architektur hat in den vergangenen Jahren in Tirol einen neuen Brennpunkt gefunden. Das war die überraschende Erkenntnis der diesjährigen Jury. Noch immer bringt die mittlere Generation der Tiroler Architekten erstaunlich hohe und eigenständige Leistungen. Aber gleichzeitig meldet sich eine junge Generation von Architekten zu Wort, die diesem Land erstmals seit vielen Jahrzehnten eine neue zukünftige Identität anbieten. Zudem hat die Tiroler Architektur eine bisher ungekannte Internationalisierung erfahren (Zaha Hadid, Dominique Perrault, Ben van Berkel). Dies konnte nur geschehen, weil eine neue Generation von privaten, öffentlichen und politischen Bauherren herangewachsen ist, der die authentische architektonische Leistung ein Anliegen ist. Daraus resultiert eine außerordentlich hohe Dichte zeitgenössischer architektonischer Qualität. Um dieser gerecht zu werden hat die Jury mehr Preise – Auszeichnungen, Anerkennungen – vergeben als in den vergangenen Jahren.
Die architektonische Qualität wurde unabhängig vom Maßstab der Projekte beurteilt, eine Tatsache die an den Prämierungen deutlich ablesbar ist. Damit entsteht ein differenziertes Spektrum architektonischer Lösungen, das sich mit den unter-schiedlichsten Bauaufgaben vorbildlich auseinandersetzt.
Die Jury, die zwischen 16. und 18. Oktober 2002 getagt hat, wählte zwei Auszeichnungen und fünf Anerkennungen aus:
Auszeichnungen
Bergisel Schanze, Innsbruck
MPreis Wenns
Bergisel Schanze, Innsbruck
1999-2002
Architektur: Zaha Hadid, London
Bauherr: Austria Schi VeranstaltungsgmbH
Statik: Christian Aste
Jurytext
Die Bergisel Sprungschanze ist sicher zur Zeit das herausragende neue bauliche Zeichen von Innsbruck und kann als Symbol eines neuen Tirol gelesen werden.
Es war und ist ein Glücksfall, dass sich die besondere individuelle und dynamische Architektursprache von Zaha Hadid in der einzigartigen Funktion einer Sprungschanze realisieren konnte und kongenial von einer ebenso ambitionierten Statik und Bautechnik umgesetzt wurde. Auch die öffentliche Hand, vor allem die Stadt Innsbruck und das Land Tirol, hat mit diesem Bau ein engagiertes Bekenntnis
zu einer besonderen architektonischen Leistung abgelegt. Das neue Wahrzeichen beherrscht eindrucksvoll und zukunftsgläubig den Stadtraum und die Umgebung Innsbrucks. Man kann dieser architektonischen Leistung auch eine kulturelle Botschaft unterstellen, da sie den zeitgenössischen Wintersport endlich aus
seinem verjodelten Umfeld befreit und mit einer entsprechenden Leistungsform ausgezeichnet hat.
Als Beeinträchtigung dieser einzigartigen architektonischen Botschaft werden von der Jury allerdings die den dynamischen Schwung dieser begehbaren Skulptur
und den Innenraum schwächende Vollverglasung des Kopfbaus angesehen sowie die sehr durchschnittliche, dem architektonischen Anspruch nicht genügende Einrichtung und Ausgestaltung des Restaurants. Das enorme Publikumsinteresse würde eine Verbesserung des Umfelds verlangen (Geschichte der Schanze, Sportlergeschichte, Leitsystem etc.).
MPreis Wenns
2000-2001
Architektur: Rainer Köberl, Astrid Tschapeller, Innsbruck
Bauherr: MPreis WarenvertriebsgmbH
Statik: Alfred Brunnsteiner
Jurytext
In den letzten Jahren hat sich die Geschäftspolitik von MPreis zu einem ebenso einzigartigen wie maßgeblichen Träger zeitgenössischer Baukultur in Tirol entwickelt, die weit über die Grenzen des Landes hinaus rezipiert wird. Wer hätte je gedacht, dass die anscheinend simple Bauaufgabe Supermarkt zu einer in jeder Hinsicht architektonischen Leitaufgabe werden könnte. Damit steht MPreis europaweit an vorderster Front einer neuen Verantwortung privater Bauherren für die urbane und landschaftliche Entwicklung einer Region.
Rainer Köberls MPreis in Wenns ist nicht nur aufgrund der extremen topographischen Situation in einem kleinen Bergdorf ein ganz besonderes Beispiel dafür. Es ist die architektonische Haltung, die ganz direkt und lapidar auf den Kontext reagiert, die keine formale Selbstinszenierung betreibt, keine willkürlichen Einfälle kennt, sondern einfach nur die richtigen Entscheidungen für eine ganz spezifische Situation fällt. Der Bau ist sparsam und effizient, gleichzeitig ist er aber poetisch und strahlt Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit aus. Der MPreis Wenns von Rainer Köberl hat einfach jene elementare Kraft, die Adolf Loos als Architektur bezeichnet hat. Sinngemäß: Du weißt nichts, du siehst es einfach, und alles in dir sagt, das ist es.
Anerkennungen
Hauptschulerweiterung und Sonderschule Zirl
Haus und Atelier F./H., Zirl
Bahnhof St. Anton am Arlberg
Medizinzentrum Anichstraße, Innsbruck
Wohnanlage Patscherstraße, Igls
Hauptschulerweiterung und Sonderschule Zirl
1999-2001
Architektur: riccione architekten, Innsbruck
Bauherr: Gemeinde Zirl
Statik: Alfred Brunnsteiner
Jurytext
Die zeitgenössische Architektur in Tirol ist voll von Experimenten und jungen Talenten. Selten aber sieht man junge Architektur mit einer derartigen Gelassenheit und Großzügigkeit verwirklicht. Vorhanden war eine alte Schule aus den 1950er Jahren, die um neue Funktionen erweitert werden sollte. Der Zubau fügt sich wie selbstverständlich in die Gesamtanlage der Schule ein und bildet um einen Innenhof einen klaren Abschluss zur angrenzenden Bebauung des Dorfes. Diese Anordnung bezieht ihre Qualität vor allem aus dem gelungenen Umgang
mit der Topographie des Geländes, die der neue zentrale Turnsaal aufnimmt. Die Architekten haben diese Aufgabe mit großer Souveränität gelöst. Alles wirkt richtig, logisch, funktionell und gleichzeitig stimmungsvoll. Die einfache wie intelligente Primärkonstruktion ermöglicht ein hohes Maß an Transparenz, welches die alten und neuen Räume der Schule in eine vorteilhafte Wechselwirkung setzt.
Haus und Atelier F./H., Zirl
1999-2001
Architektur: Julia Fügenschuh, Christof Hrdlovics, Zirl
Bauherr: Julia Fügenschuh, Christof Hrdlovics
Statik: Patrizia Steiner
Jurytext
Viele glauben, dass alle architektonischen Träume verwirklicht werden, wenn Architekten für sich selber bauen. In Wahrheit aber sind einerseits meist die ökonomischen Grenzen eng gesteckt, andererseits experimentieren viele Architekten allzu intensiv. In diesem konkreten Fall löst ein junges Architektenteam die verzwickte Situation. Ausgangspunkt war ein alter Stadel, der mit persönlichen Erinnerungen besetzt war. Die überlieferte Atmosphäre sollte bei einem Umbau erhalten bleiben, zeitgemäß und doch mit Geschichte. Daraus entstand ein architektonisches Artefakt, das vielschichtig erzählend die Problematik erklärt und gleichzeitig löst. Ein Objekt, Räume, die neu und experimentell sind, aber gleichzeitig alt und bewährt. Es ist Architektur, die ganz einfach zeigt, wie sich zeitgenössisches Bauen befreien und gleichzeitig historisch verankern kann. In einer überzeugenden Weise werden bestehende Strukturen im historischen Ortszentrum mit neuen überschrieben, die auch im kleinen Format mit ihrem hohen architektonischen Anspruch überzeugen. Eine kleine Arbeit mit großer Atmosphäre.
Bahnhof St. Anton am Arlberg
1998-2001
Architektur: Gerhard Manzl, Johann Ritsch, Manfred Sandner, Innsbruck/St. Johann i. T.
Bauherr: ÖBB
Statik: Bernard+Partner
Jurytext
Schon mehrfach wurde dieser Bahnhof ausgezeichnet und das nicht ohne Grund. Anerkannt wurde die radikale Lösung mit der Mauer, die wie eine Talsperre den Bahnhof ausblendet. Eine Mauer, sonst nichts. Der Lärmschutz ist erfüllt. Aber diese Mauer ist aufgrund der Materialität enorm präsent. Sie ist einfach da, und keiner würde sie verstehen, wenn sie nicht die Aufgabe Bahnhof erfüllen würde. Erst bei der konkreten Annäherung, bei der Benutzung, erschließt sich die architektonische Qualität. Elegant und repräsentativ wurden mit geringsten Mitteln alle Innenräume gestaltet. Die Struktur des Bahnhofs ist in seiner äußerst sparsamen Ausführung, räumlich wie auch konstruktiv und in allen Details bis hin zur Beleuchtung sorgfältig durchdacht. Nein, es ist nicht nur die Mauer allein, es sind auch die Räume dahinter, die als äußerst entspannte und ruhige Innenwelt mit übersichtlicher Orientierung überzeugen.
Medizinzentrum Anichstraße, Innsbruck
1997-2001
Architektur: Paul Katzberger, Michael Loudon, Wien
Bauherr: TILAK
Statik: Achammer-Tritthart & Partner
Jurytext
Nicht zu unrecht ist der Krankenhausbau der letzten Jahrzehnte für seine architektonischen Leistungen nicht gerade gerühmt worden. Er geriet in die Hände von Fachplanern, die alles solange optimierten, bis nichts mehr stimmte, die Menschen vergessen wurden und der Raum zur Restfläche verkam. Die Frage lautete also, ob ein neues Krankenhaus wieder zu einem architektonischen und kultivierten Raum werden könnte. Der urbane Kontext des Innsbrucker Krankenhauses ist durch eine Agglomeration von Bauten aus verschiedenen Epochen gekennzeichnet. Die Randbedingungen für den Neubau waren einerseits städtebaulich wie auch funktional sehr beschränkend. Der hermetische Charakter der Blockrandbebauung des neuen Krankenhauses wird deshalb von den Autoren mit Innenhöfen aufgelöst, die
nicht nur eine Sichtbeziehung zum angrenzenden Stadtraum etablieren, sondern auch gleichzeitig beachtliche Aufenthaltsqualitäten im Gebäude ermöglichen. Diese spannenden räumlichen Dialoge, die nicht dem üblichen Standard des Krankenhausbaus entsprechen, werden zudem auf hohem Niveau materialisiert. Materialien, Details, Lichtlösungen und Oberflächen sind mit beispielhafter Sorgfalt und Qualität realisiert. Dieses neue architektonische Statement im gewachsenen Krankenhauskonglomerat von Innsbruck ist ein überzeugendes Beispiel öffentlicher Verantwortung und architektonischen Anspruchs.
Wohnanlage Patscherstraße, Igls
1998-2001
Architektur: Johann Obermoser, Innsbruck
Bauherr: Doris Obermoser, Johann Obermoser
Statik: ZSZ-Ingenieure
Jurytext
Es gibt in Tirol viele Grundstücke in extremer und ganz schwieriger Lage, die eine besondere Bebauungslösung verlangen. Genau diese Situation trifft auf das Grundstück in Igls zu, das aufgrund der extremen Hanglage als fast unbebaubar galt. Normalerweise würde hier einsam und verloren ein weiteres Einfamilienhaus stehen und ein großer Teil des Grundstücks ungenutzt bleiben. Aber das Gegenteil ist hier der Fall. Die durch die Hanglage sowie die unmittelbar angrenzende Straße erschwerten Bedingungen wurden für einen intelligent verdichteten Wohnbau genutzt, der die Qualitäten des Einzelhauses - Aussicht und Autonomie für eine viel größere Zahl von Bewohnern mit optimaler individueller Wohnqualität verwirklicht hat.
Die verdichtete Wohnanlage verfügt über eine klare Erschließung von besonderer räumlicher Qualität, die sich auch im Inneren der einzelnen Wohneinheiten widerspiegelt. Die Wohnungen überzeugen durch ihre Grundrisslösungen, die einen hohen Grad an Privatheit, Aussicht und Freiraum bieten. Dieses Gebäude ist ein gutes Beispiel für eine positive Grundstücksspekulation, da es eine klare Antwort auf die Frage gibt: Wie kann ich schwierige topographische Voraussetzungen intelligent nutzen, um daraus für viele jene Qualitäten zu generieren, die ansonsten nur einzelne realisieren können, und damit einen Gegenentwurf zur gedanken-
losen Zersiedelung formulieren?
Unter dem Punkt Mediadaten finden Sie Bilder zu allen Auszeichnungen und Anerkennungen.
Bilder: Helene Binet (Bergisel Schanze), Lukas Schaller (MPreis Wenns), Günter R. Wett (Bahnhof St. Anton, Wohnanlage Patscherstraße, Haus und Atelier F./H., Medizinzentrum Anichstraße), Martin Tusch (Hauptschulerweiterung und Sonderschule Zirl)