walter angonese: weiterdenken, weiterbauen
Ein Textbeitrag von Walter Angonese über seinen Zugang zur Architektur, erschienen in der aut: info, Nr. 2/2011
weiterlesen …Amol eppas ondorsch – einmal etwas anderes – diese in Südtirol häufig verwendete, ausweichend klare Antwort auf die Frage, wie etwas Neues denn gefalle, ist Titel der Ausstellung von Walter Angonese und Manfred Alois Mayr. Ein Titel, der paradigmatisch für deren Arbeitsweise und Haltung im kulturellen, gesellschaftspolitischen wie mentalen Umfeld von Südtirol steht. Denn Walter Angonese als Architekt und Manfred Alois Mayr als Künstler sind in mehrfacher Hinsicht Grenzgänger: geprägt durch ihre Biografie im dörflichen Kontext von Kaltern bzw. Schlanders, ausgebildet in Venedig bzw. Wien und verwoben mit dem internationalen Diskurs in Kunst und Architektur, agieren sie aus jener Ambivalenz heraus, die die Spannung zwischen dem Provinziellen und dem Globalen, zwischen Herkunft und Zukunft auszuhalten versucht und gleichzeitig diese produktive Gespanntheit als Grundlage der eigenen Arbeit ansieht. Ihre gemeinsame Suche nach einer inhaltlichen wie auch gestalterischen Selbstverständlichkeit basiert auf dem Bekenntnis zu provinziellem Kontext und individueller Geschichte und verdichtet sich im Begriff des Weiterbauens, der als Leitmotiv ihrer Arbeitsweise zu verstehen ist. In ihrem Sinne bedeutet Weiterbauen, das Vorhandene als Grundlage des Zukünftigen zu nehmen, zuerst die einzelnen Schichten der Konventionen freizulegen, die Geschichte wie deren Verwerfungen zu befragen und gleichzeitig in Frage zu stellen, sich mit den kulturellen, gesellschaftlichen wie auch sozialen Bedingungen der Aufgabe auseinanderzusetzen, um auf Basis dieser Einsichten Lösungen zu generieren, die auf den ersten Blick unscheinbar, aber präzise und markant sind.
2001 arbeiteten Walter Angonese und Manfred Alois Mayr erstmals gemeinsam an einem Projekt, dem Weingut Manincor in Kaltern (gemeinsam mit Rainer Köberl), wo sich Mayr mit den Mitteln von Farbe und Material subtil in die räumliche Struktur des Gebäudes einschrieb. Diese Erfahrung war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit, die einerseits von einer gegenseitigen Wertschätzung geprägt ist und andererseits hin zu einer, die Disziplinen übergreifenden und Grenzen ignorierenden Kooperation führte, indem der künstlerische Zugang von Manfred Alois Mayr sukzessive integraler Bestandteil des Entwurfsprozess von Walter Angonese wurde und der Weg hin zur architektonischen Gestaltung gleichzeitig auf die künstlerischen Konzepte zurückwirkte. Dieses symbiotische Wechselspiel der Kräfte führte zu Projekten, in denen teilweise nicht mehr nachvollziehbar ist, wo Architektur beginnt und Kunst aufhört bzw. was von wem entschieden oder geprägt wurde. Diese Irritation des Blicks, dieses Changieren zwischen den spartenspezifischen Konventionen, macht die Unverwechselbarkeit und Qualität der Projekte aus.
Die Ausstellung macht diese spezielle Art der Zusammenarbeit sichtbar, indem Angonese und Mayr die Räume des aut als Grundlage ihrer gemeinsamen Interventionen ansehen und gemäß dem Motto „Weiterbauen“ verändern. Sie verwenden die Geschichte des Ortes, verdrehen Bedeutungen genauso wie Gewohnheiten, polen Räume und Wegführungen um, erklären also, mit anderen Worten, das aut zu einem klassischen Architekturprojekt und vermitteln damit auf sichtbare und benutzbare Weise ihre Haltung im Maßstab 1:1. Und zu guter Letzt realisieren sie einen jener Orte, an denen die Projekte der beiden in der Regel entstehen: eine Bar mit einer Budl, an der gelehnt geredet und getrunken wird und wo man schlussendlich auch „versumpfen“ kann.
„budl“-gespräche
Als wichtiger Bestandteil der Ausstellung von Walter Angonese und Manfred Alois Mayr finden an der im aut realisierten Bar drei von Angonese und Mayr konzipierte, sogenannte „Budl“-Gespräche statt. Dazu haben sie zwei Architekten eingeladen, deren Werk ein inhaltliches „Naheverhältnis“ aufweist. So thematisieren die Arbeiten von Alberto Ponis vor allem das Verhältnis von Typologie und Landschaft, zwei Themen, die auch für Angonese und Mayr von Bedeutung sind. Der Vortrag von Hermann Czech über die Selbstverständlichkeit ergänzt inhaltlich die zentralen Themenfelder der Ausstellung. Außerdem findet eine Lesung mit Johannes Nikolussi statt, der zwei von Manfred Alois Mayr ausgewählte Texte liest, die einen speziellen Blick auf den Alltag vermitteln: „John Berger: Der Anzug und die Photographie“ und „Cees Nooteboom: Armut unter einem Baldachin aus Gold“.
do 14. april, 19.00 uhr Ausstellungseröffnung mit „Budl“-Gespräch
Walter Angonese, Manfred Alois Mayr: Amol eppas ondorsch
sa 30. april, 17.00 uhr Lesung mit „Budl“-Gespräch
Johann Nikolussi liest Texte, ausgewählt von Manfred Alois Mayr
sa 14. mai, 17.00 uhr Vortrag mit „Budl“-Gespräch
Alberto Ponis: Case e Ambiente. Le radici visibili ed invisibili
sa 28. mai, 17.00 uhr Vortrag mit „Budl“-Gespräch
Hermann Czech: Dinge, die nach nichts ausschauen
walter angonese
geb. 1961 in Kaltern; Studium am IUAV, Venedig; 1980 – 92 Landesverwaltung und Landesdenkmalamt; 1992 – 2001 Büro a5 architekten mit Markus Scherer in Bozen; seit 2001 Architekturbüro in Kaltern; Visitings, workshops und guest critic an verschiedenen Hochschulen in Europa; seit 2007 Vertragsprofessor an der Accademia di Architettura in Mendriso (CH)
bauten (Auswahl)
1996 – 2003 Landesmuseum Schloss Tirol (mit Klaus Hellweger und Markus Scherer); 1997 – 98 Adaptierung Festung Kufstein, Josefsburg (mit Andreas Egger und Markus Scherer); 1999 – 2000 Museum im Kornkasten/ Steinhaus Ahrntal (mit Susanne Waiz und Markus Scherer); 2001 – 04 Weingut Manincor, Kaltern (mit Rainer Köberl); 2003 Arbeiterhaus, Siebeneich (mit Bergmeister u. Partner); 2006 Bar „Zum lustigen Krokodil“, Kaltern (mit Manfred Alois Mayr); Kellerräume Kellerei St. Michael, Eppan (mit Armin Lahner und Manfred Alois Mayr); 2008 Bar Ett, Bruneck (mit Manfred Alois Mayr); Pforte zur Badeanstalt „Gretl am See“, Kaltern (mit Manfred Alois Mayr); 2009 Radstation Lanz (mit Bergmeister u. Partner und Manfred Alois Mayr); Besucherzentrum Karersee (mit Herbert Mair und Manfred Alois Mayr); Umbau Sparkasse Kaltern (mit Bergmeister u. Partner und Manfred Alois Mayr); 2010 Umbau und Erweiterung Grundschule Neumarkt (mit Hansjörg Letztner und Manfred Alois Mayr; Flagshipstore Moessmer, Bozen; in Bau: Wohnhaus Vorhauser, Kaltern; Hofstelle Sinn, Kaltern; Dachausbau Ansitz Tovin, Kaltern; Sammlerhaus Dalle Nogare Antonio, Bozen (mit Andrea Marastroni)
manfred alois mayr
geb. 1952 in Tscherms, aufgewachsen im Vinschgau; 1972 – 77 Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien; 1977 – 81 Lehrauftrag an der Akademie der bildenden Künste Wien; 1991 Arbeitsaufenthalt in Spanien; 1995 und 2000 Arbeitsaufenthalt in Berlin; seit 2006 Atelier in Bozen
projekte (Auswahl)
Zahlreiche künstlerische Interventionen im privaten und öffentlichen Raum, Farb- und Materialkonzepte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Architekten u. a. Realgymnasium, Bozen; „Zimmer 211“ Hotel Greif, Bozen; Europäische Akademie Bozen; Freie Universität Bozen; Rathaus Sexten; Weingut Manincor, Kaltern; Weinkeller Nöckler Fa. Harpf & Co, Bruneck; Bar „Zum lustigen Krokodil“, Kaltern; Historischer und neuer Barriquekeller, Kellerei St. Michael, Eppan; Bar „Ett“, Bruneck; Pforte zur Badeanstalt „Gretl am See“, Kaltern; Salus Center Prissian; Haus D, Brixen; Sparkassengebäude, Kaltern; Verwaltungsgebäude Vi. P – Obstproduzenten, Vinschgau; Wohnblock EA7, Kaiserau, Bozen; „Goldlauf“, Franzensfeste; Besuchertunnel/Seeplattform, Karersee, Forst- und Domänenverwaltung, Gemeinde Welschenofen; Pathologie, Feldkirch; Erste + Neue Kellerei, Kaltern; Raststätte/Stube Lanz, Schabs; Grundschule Neumarkt; in Ausführung: „Handlauf – Säule – Tisch“, Barth Innenausbau, Brixen; „Pergola mit Treppe“, Sammlerhaus Dalle Nogare Antonio, Bozen; „Terra sigillata“, VLM – Vorarlberger Landesmuseum, Bregenz; „Musikzimmer“, Haus von Mörl, Brixen
Eine Ausstellung mit freundlicher Unterstützung von Auroport (Bruneck), Barth Innenausbau KG (Brixen), Erste + Neue Kellerei (Kaltern), Fischnaller Friedrich & Co. OHG (Villnöß/Teis), Fröschl Bau AG & Co KG (Hall i. T.), Canal & Co Bauwaren (Hall i. T.), Hans Hauser GmbH & Co KG (Hall i. T.), HALOTECH LICHTFABRIK GMBH (Innsbruck), LignoAlp – Damiani-Holz & KO (Brixen), Weingut Manincor (Kaltern), Zimmerei Raffeiner KG (Eppan), Privatquelle Gruber (Brixlegg) sowie Kellerei St. Michael (Eppan)
Ein Textbeitrag von Walter Angonese über seinen Zugang zur Architektur, erschienen in der aut: info, Nr. 2/2011
weiterlesen …Auszüge aus einem Gespräch mit Manfred Alois Mayr, aufgezeichnet und bearbeitet von Marion Piffer Damiani. erschienen in der aut: info, Nr. 2/2011
weiterlesen …Eröffnung einer Ausstellung, die die spezielle Art der Zusammenarbeit zwischen dem Architekten Walter Angonese und dem Künstler Manfred Alois Mayr räumlich vermittelt.
weiterlesen …Aufzeichnung eines 2011 von Arno Ritter geführten Gesprächs mit dem Architekten Walter Angonese und dem Künstler Manfred Alois Mayr in der Enothek "Greti" in Kaltern.
weiterlesen …Die Ausgabe 2/11 der Programmzeitschrift aut: info mit Hintergrundinformationen zur Ausstellung "Amol eppas ondorsch" und zum Programm des aut zwischen April und Juni 2011.
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