im memoriam leopold gerstel (1925 – 2010)
Ein Text von Rainer Köberl, erschienen in aut: info
Das Gehen war ihm wichtig. Langsam. In Gedanken versunken oder schauend denkend. Neben vielem – der Blick wechselnd von den Körpern zu der diese umgebenden „Luft“.
Bewundern wollte er nicht – vor allem nicht in Bewunderung verharren – alles war Rohmaterial weiter zu denken, neue Vorstellungen zu entwickeln – „food for thought“.
Er baute sich eigene Füllfedern aus alten Schreibutensilien. Die Tinte musste rinnen, und gut in der Hand sollten sie liegen. Aus rotem Geheimratskäsewachs knetete er singende Amseln und krähende Hähne, die „ihren Gott herausfordern“.
Er lehrte uns den direkten Weg, wie den labyrinthischen, das Gegenteil des Verfolgten oder Gewünschten genauso in Betracht zu ziehen, wie irgendwann einfach „den Stier bei den Hörnern zu packen“. Oder oft der ermutigende Zuruf „hitch your wagon to the star“.
Auftretende Schwierigkeiten immer als Ansporn zu sehen, neu nachzudenken, neue Gelegenheiten zu entdecken, die Entwürfe zu bereichern.
Architektur als aufgeschäumte Erde, das Unterirdische, wie das Oberirdische, dem das Licht begegnet. Die bescheidensten Ausformungen genauso wie stadtbestimmende Großformen, alles unter Einbeziehung der komplexen Wirklichkeit der Stadt und der darin schlummernden Möglichkeiten, aus dem Alltäglichen Funken für das Leben zu schlagen.
Alles auch immer mit Humor – und Du konntest lachen bis Dir die Tränen kamen. Warme tiefe Augen!
(Text: Rainer Köberl)
Leopold Gerstels Vortrag „Das Durchschreiten der Stadt – ein surreales Erlebnis“ steht Ihnen als pdf-file zur Verfügung (Dateigröße ca. 3 MB)
leopold gerstel
geb. 1925 in Jassi (Rumänien); 1941 Auswanderung nach Israel; 1942 – 49 Studium am Technion in Haifa (Israel); 1949 – 53 Mitarbeit im Büro von Prof. Edelmann; ab 1955 selbstständiger Architekt; 1969 – 82 Adj. Sen. Lecturer an der Fakul-tät für Architektur und Städte-bau am Technion Haifa; 1978 Gastprofessur am Institut für Hochbau und Entwerfen der Universität Innsbruck; 1979 Gastprofessur am Institut für Wohnbau und Entwerfen der Technischen Universität Wien; 1982 – 93 Vorstand des Instituts für Gebäudelehre und Wohnbau der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur der LFU Innsbruck; 1987 Gastprofessur an der Columbia University in New York; 1992 – 93 Gastprofessur an der Bartlett School of Architecture London; gest. 2010 in Haifa
bauten (Auswahl)
Zahlreiche Einfamilienhäuser u. a. in Nahariya, Haifa, Ramat Gan und Zichron Yaakov; 1966 Siedlung in Neve Josef für das Siedlungsministerium; Siedlung in Ramat Jitzchak für Ben Feller; Eisenbahnbrücke über die Autobahn Alith (gem. mit Vinokur und Bloch); Telefonzentrale und Postamt, Kiryat Ata; Zentrales Wasserpumphaus für Tahal, Jerusalem; 1966 – 73 Bürogebäude und Werkstätten für Tahal im Namen der Stadtverwaltung von Jerusalem; 1973 Städtebauplanung für das Siedlungsministerium in Süd-Nazareth (4.500 Wohneinheiten); Zentrale für Neueinwanderer in Carmiel; Wohnbauprojekt für 55 Villen, Akko; Telefonzentrale in Kiryat Shmone, Akko; Wohnbauprojekte in Rassco, Nazareth, Haifa, Sch.O.P. Afula; 1978 Wohnbauprojekt – Stadtplanung Maalot Tarschicha; 1979 Wohnbauprojekt, Migdal Haemek; 1980 Kleine Konzerthalle und Bank, Zichron Iaacov; 1983 und 1985 Erster Preis bei der ersten bzw. zweiten Wettbewerbsstufe für das Rathaus in Innsbruck; 1987 – 96 HBLA für wirtschaftliche Frauenberufe, Innsbruck (gem. mit Ernst Bliem und Egon Peter)