in memoriam erich gutmorgeth (1951 – 2025)
Ein Nachruf von Helmut Seelos
lieber erich,
du magst nicht, was jetzt kommt – aber dieses mal muss es sein: das folgende dreht sich ausnahmsweise um dich; um dich und deine architektur, die das zentrum war, um das alle übrigen lebensbereiche sich ordneten, und um die inhalte, nach denen du immer gestrebt und die du so lapidar als anständiges bauen zusammengefasst hast.
deine beschäftigung mit dem thema war umfassend und währte buchstäblich tag und nacht; wie oft kamst du in der früh mit neuen überlegungen, resultaten schlafloser stunden. gerade über diese elementarsten auseinandersetzungen machtest du nach außen hin nie viele worte, es zählte nur die gewonnene erkenntnis.
dir ging es stets um handfeste qualitäten, von denen du wusstest, dass sie auch von laien verstanden und vor allem empfunden werden. von denjenigen, die dir nicht folgen konnten oder wollten, hast du dich über kurz oder lang getrennt, denn kompromisse waren deine sache nicht. diejenigen aber, die du für die sache begeistert hast, blieben dir ein leben lang verbunden.
nach deinem studium, parallel zu deiner assistententätigkeit, hast du beinahe zwei jahrzehnte lang eine unzahl von zweiten und dritten preisen gewonnen: intensive vorbereitung.
deine erste große realisierung war ab ende der achtziger jahre die erweiterung des landeskrankenhauses in feldkirch. du hast auf basis einer einzigen kraftvollen idee das areal neu geordnet – seither flanieren patient:innen und besucher:innen in deinem zweihundertfünfzig meter langen gewächshaus entlang eines bächleins und freuen sich in bestem klima am hellen tag.
beinahe bis ans ende deiner tätigkeit haben dich die häuser für die gesundheit nicht mehr losgelassen. viele deiner themen waren schon angelegt: der zutiefst soziale anspruch auf verbesserung der lebensumstände deiner nutzer:innen, uneingeschränkte zugänglichkeit und inklusion, die lichte raumstimmung, die transparenz, die strukturelle klarheit.
nach feldkirch kamen die neunziger jahre, jene zeit, ab der du in vorderster reihe pionierarbeit geleistet hast für die regionale und überregionale architekturentwicklung. in rascher folge entstanden projekte wie der kindergarten kematen, das gemeindezentrum inzing, die häuser h und p, der mpreis leutasch und der umbau der volksschule kematen.
in der bearbeitung eben dieser aufgaben hast du endgültig zu deinem spezifischen vokabular gefunden: eine vergleichsweise vergängliche, immer möglichst leichte, konstruktiv simple und hocheffiziente art zu bauen, das erreichen der denkbar besten qualität mit minimalsten mitteln.
hinter deinem feinsinnigen humor verbarg sich eine neigung zur schwermut angesichts vieler gesellschaftlicher zustände und umstände. dieser schwermut hieltest du unermüdlich und mit hohem durchsetzungsvermögen die leichtigkeit und offenheit, die klugheit und den witz deiner architekturen entgegen, deine idee einer besseren welt. dabei warst du selbst stets dein strengster kritiker – und zufrieden warst du letztlich nie.
laufend nahmst du an wettbewerben teil, alleine, mit freund:innen oder ehemaligen mitarbeiter:innen. du führtest verfahren organisatorisch oder als juror durch; und wo immer sich die gelegenheit bot, versuchtest du potentielle auftraggeber:innen davon zu überzeugen, dass der weg zur besten lösung eben über einen wettbewerb führt, bevorzugt mit unbeschränkter teilnehmer:innenzahl und freiem zugang für junge kolleg:innen. du warst eine moralische instanz in der tiroler und österreichischen szene.
durch die tätigkeit am institut für hochbau wusstest du deine familie versorgt und hattest die wichtige freiheit, auf keinen auftrag angewiesen zu sein. deine seminare boten jahrzehntelang für alle ernsthaft interessierten den zugang zur konkreten baukonstruktion, und neben sachverständnis gabst du uns motivation und begeisterung mit.
wer dir nahe war, lernte architekt:in zu sein nicht nur in fachlicher, sondern ganz wesentlich auch in menschlicher hinsicht; spät in deinem leben, als du vieles schon kaum mehr konntest, warst du noch immer imstande deine haltung klar zu formulieren: vollkommen unerheblich, von wem ein gebäude stammt – wichtig ist einzig und allein, dass es anständig ist.
beim entwerfen, weiterentwickeln und verbessern warst du ganz bei dir, in deiner ureigensten art der auseinandersetzung mit der welt und mit dir selbst.
so sehe ich dich noch heute vor mir: du lehnst dich im stuhl zurück, betrachtest kritisch das blatt vor dir und dann, mit dem erkennen des nächsten schrittes, beim wiederaufnehmen des bleistiftes, beginnst du leise zu singen.
erich gutmorgeth (1951 – 2025)
geb. 1951; Architekturstudium in Innsbruck bei Othmar Barth; Studienassistent, Assistent und Assistenzprofessor am Institut für Hochbau der Universität Innsbruck; ab 1988 eigenes Büro in Innsbruck; verstorben im Februar 2025
bauten und projekte (Auswahl)
1987 – 93 Landeskrankenhaus Feldkirch, Erweiterung (teilweise in ARGE Gutmorgeth-Kuthan-Grass); 1994 – 96 Kindergarten, Kematen, Erweiterung und Sanierung; 1994 – 99 Haus H, Mieming; 1997 – 98 Gemeindezentrum, Inzing; 1998 – 2000 MPREIS, Leutasch; 1999 – 2001 Volksschule Kematen, Erweiterung und Sanierung; 2000 – 01 MPREIS Oberperfuss; 2000 – 02 Haus P, Ranggen; 2000 – 10 LKH Feldkirch, Zentralküche und Versorgungsspange; 2003 – 10 Leitgebschule, Innsbruck, Erweiterung und Sanierung; 2006 – 07 Wohnanlage „Am Bichl“, Igls; 2007 – 10 Reha-Klinik Montafon, Schruns; 2012 – 18 LKH Feldkirch, Masterplan Bauabschnitt 1 (ARGE Gutmorgeth-Thurnher); 2017 – 20 Footballstadion Tivoli, Innsbruck; 2017 – 22 LKH Feldkirch, Masterplan Bauabschnitt 2 (ARGE Gutmorgeth-Thurnher)
