rainer köberl: hevi‘s „plansch“ im viaduktbogen 69
Ein Text von Rainer Köberl über das im frei gewordenen Bogen 69 entstandene Lokal "Plansch", erschienen in: aut: info 1/2022.
weiterlesen …lichtakupunkturen entlang eines stadtmeridians
Carlo Ghega wurde 1802 als Sohn albanischer Eltern in Venedig geboren. Der Erbauer der Semmeringbahn wurde kurz vor deren Fertigstellung, 1854, in den Ritterstand erhoben und hieß ab dann Carl Ritter von Ghega. Er entwarf u. a. ein Eisenbahnnetz für die Habsburgermonarchie und verfeinerte die Pläne des Ingenieurs Alois Negrelli aus dem Jahre 1838 für die Eisenbahnstrecke von Kufstein nach Innsbruck. Zwei Jahre vor seinem Tod, 1860, wurde seine Dienststelle aufgelöst, da die letzte Eisenbahn in der Donaumonarchie privatisiert wurde. Diesem genialen Kopf und seinem Besuch vor Ort verdanken wir den Innsbrucker Bahnviadukt, der ursprünglich als geschütteter Bahndamm geplant war. (1)
In der Stadt wird der Viadukt als trennendes Element wahrgenommen, da er in den nach seiner Erbauung entstandenen Entwicklungen stadtstrukturell immer in „Vorder-“ und „Rückseite“ getrennt gedacht wurde bzw. die ursprünglich offene Struktur bis auf einige Straßendurchfahrten, zuerst mit kleinen Gewerbebetrieben, später je nach Lage auch durch Geschäfte und Gastronomielokale, völlig zugewachsen ist. Umso mehr haben die verbliebenen offenen Stellen – die Durchfahrten – große Bedeutung für das Stadterlebnis. Doch weder der Besitzer des Bauwerks, die ÖBB, noch die Stadt Innsbruck als Verantwortliche für den öffentlichen Raum richteten ein Augenmerk darauf, bis 2011 Robert Possenig von der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH, einer der Verantwortlichen für den Viadukt, eine Bestandsaufnahme und Studie für die sogenannten „Bögen“ beim Architekturbüro Teamwerk (2) in Auftrag gab.
Die naheliegende Idee, sich auf jene offenen Durchfahrten zu konzentrieren, an denen mit Hilfe relativ minimaler Eingriffe maximale Wirksamkeit für den öffentlichen Raum zu erzielen wären, war Quintessenz dieser Studie. In Zusammenarbeit mit der Lichtfabrik Halotech (3) entstand daraus das Konzept, den Durchfahrten ein besonderes Licht zu geben, dessen beabsichtigte Charakteristik und daraus folgende notwendige Lichtquellenpositionen die Gestaltung bestimmen sollten. Die erste Wahl fiel auf zwei relativ schmale Durchfahrten – jene in die Kapuzinergasse und jene nahe am Inn (Ing.-Etzel-Straße 173 – 174) –, die nacheinander in den Wintertagen 2011 und 2012 in Beisein von Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer eröffnet wurden, konnte doch die Stadtgemeinde überredet werden, sich an den Kosten zu beteiligen.
Das perfekte gleichmäßige Ausleuchten des Betonbogengewölbes verlangte neben linienförmigen Lichtquellen eine relativ niedere Position von zusätzlichen punktförmigen Leuchten, die in Folge dessen in ein breites rostiges Blechband integriert wurden, welches in einem Abstand von der Wand montiert, die linienförmigen Lichtquellen abschirmt und eine einfache Verkabelung ermöglicht. Der etwas aufwändig wirkende Eingriff durch die Blechbänder wird jedoch durch das eine gewisse Ruhe ausstrahlende Licht, dass dieser Gegend gut tut, gerechtfertigt.
Von Halotech wurde in weiterer Folge 2013 ein Beleuchtungskonzept für die Durchfahrt und die davon konstruktiv getrennten Durchgänge in der Dreiheiligenstraße entwickelt. Bedingt durch die drei unterschiedlich breiten Raumzonen wurden hier drei abgehängte Stahlhohlprofile mit integrierten Punktleuchten gewählt, die in diesem Falle nicht die Gewölbe, sondern die Wände beleuchten. Das erscheint um so sinnvoller, als Ernst Mitterndorfer hier anregte, entweder Heimo Zobernig oder Lois Weinberger für einen künstlerischen Beitrag zu gewinnen. Mittlerweile ist Innsbruck neben Weinbergers wunderbarem rostigen Käfig bei der SoWi noch um zwei Arbeiten von Lois Weinberger (Lack auf Stahlplatten) reicher. Während das Konzept Weinbergers bei der SoWi eigentlich eine Pflege nicht vorsah, verlangen seine Bilder hier einen achtsamen Umgang, der auch einigermaßen gelingt. Denn durch ein gewisses „Draufschauen“ und wohl auch durch das gute Licht sind bisher
nur geringe Beschädigungen entstanden.
Diese vorgestellten Lichtakupunkturen sollen dazu anregen, auch an einem zweiten Stadtmeridian – dem Inn und seinen Brücken – eventuell mit Licht zu arbeiten, sind doch die Brücken wesentliche Verbindungselemente zwischen den Stadtteilen. Darüber hinaus könnte endlich eine der wichtigsten Durchfahrten der Stadt – jene zwischen Pema 1 und dem Sillpark, die neuerdings durch einen engen und langen Fußgängertunnel erweitert wurde – ebenso sensibel behandelt werden, wie
es die ÖBB bisher vorgemacht hat.
anmerkungen
(1) „Der Viadukt ist seit ca. 150 Jahren das größte Bauwerk in der Stadt Innsbruck, er reicht von der Hallerstraße bzw. vom Inn bis zum Hauptbahnhof. Der namenlose Viadukt ist nicht nach seinem Erbauer benannt, der Grund dafür ist nicht bekannt. Die am Viadukt entlang führende ehemalige Viaduktstraße heißt heute seltsamerweise Ing.-Etzel-Straße, obwohl Karl Etzel mit dem Bau dieses Streckenabschnitts nichts zu tun hatte.“ (Wolfgang Morscher)
Daten nach Helmut K. Mißbach, Eisenbahnen in Tirol, 1979
(2) Teamwerk Architekten, Architekturbüro in Innsbruck, gegründet 1997 von Borislav Ilic und Hannes Unterluggauer
(3) Lichtfabrik Halotech, Innsbruck, entwickelt Beleuchtungskonzepte und baut unterschiedliche Arten von Sonderleuchten. Geschäftsführer: Ernst Mitterndorfer
Anlässlich des Baus der neuen „ÖBB-Haltestelle Messe“ schlage ich vor, Carl Ritter von Ghega in Innsbruck doch noch einen nach ihm benannten Platz zu widmen. Die spitzwinkelige Verkehrskreuzung Ing.-Etzel-Straße – Claudiastraße ist unbefriedigend. Die ab der Kreuzung den Viadukt begleiten- de Ing.-Etzel-Straße ist gegenüber der straßenbahnführenden Linie Ing.-Etzel-Straße – Claudiastraße bereits vorrangmäßig abgewertet. Deswegen könnte ohne verkehrliche Probleme dieser Knoten durch die Einbeziehung der Siebererstraße aufgelöst werden.(*)
So könnte, auch als Vorbereich zur Messe, belebt durch die Vorzone von ca. zehn Viaduktbögen, in diesem nun verkehrsfreien Zwickel der Carl-Ritter-von-Ghega-Platz entstehen. Nach Bau der „Haltestelle Messe“ und einer wohl irgendwann kulturellen Bespielung des „Sieben Kapellen Areals“ und des „Museum Quartier Zeughaus“ könnte so eine weitgehend autofreie bzw. autoberuhigte Zone zwischen Sill und Messe realisiert werden. Die Frage, ob der städtebaulich unbefriedigende Hinterhof der Bundesbahndirektion einer baulichen stadträumlichen Aufwertung dienen könnte, stellt sich in diesem Zusammenhang ebenfalls.
* dieser Lösungsvorschlag passiert auf Gesprächen mit Verkehrsplaner Ing. Markus Volgger
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 1/18
Ein Text von Rainer Köberl über das im frei gewordenen Bogen 69 entstandene Lokal "Plansch", erschienen in: aut: info 1/2022.
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