rainer köberl: der greifvogelpark telfes
Landschaft, Städtebau, Architektur und Tierhaltung
Ich sitze neben Mathias Prem, er brachte gerade selbst gezüchtete, gesunde Ratten als Futter für seine Vögel und erzählt, dass bereits zur Volksschulzeit der „Zündfunken“ für seine spätere Beschäftigung mit Greifvögeln entstand. In einem englischen Schwarz-Weiß-Film im Fernsehen findet ein Bub in trister Zeit in einem Nest in einer Burgruine ein Turmfalkenjunges, das er mit nach Hause nimmt und aufzieht. Einige Zeit nach diesem Filmerlebnis brachten „Sommerfrischler“, die jedes Jahr im Haus von Mathias Eltern Urlaub machten, von einer ihrer täglichen Wanderungen einen kleinen Turmfalken mit, den sie im Wald gefunden hatten. Hinter dem Haus baute Mathias so seinen ersten Vogelkäfig. Es entstand der Wunsch Veterinärmediziner zu werden, was zwar nicht glückte, aber abseits seiner Ausbildung an der Forstwirtschaftsschule in der Steiermark besuchte er an der Universität Vorträge zur Vogelkunde.
Zurück in Telfes wurden neben seiner Ausbildung zum Mechaniker, Bergretter und Hundeführer die Vögel immer wichtiger. Man kannte Mathias Prem, sein Wissen und seine Sorge, und so wurden immer wieder junge, verletzte oder auch kranke Greifvögel zu ihm gebracht. Irgendwann, es gab bereits viele „Schützlinge“, wollte er die für eine derartige Tierhaltung notwendige Legalisierung erreichen. Nach holprigem Behördenlauf entstand letztlich 1998 die Idee, an einer ganz besonderen landschaftlichen Stelle in Telfes – einer fast inselartigen, kleinen, leicht abfallenden Wiese in rundum steilen und bewaldeten Gelände – einen Greifvogelpark einzurichten.
Die gesamte Planung der Anlage, teilweise nur im Kopf und ohne Plan, wurde von Mathias Prem selbst ausgeführt. Das notwendige Holz wurde zusammen mit einem Freund über den schmalen Weg zum Bauplatz getragen und im obersten Bereich der Wiese, auf hartem Schotter und ohne Fundamente, zu bauen begonnen. Da Mathias auch an später notwendige Erneuerungen und den Austausch von Bauteilen dachte, verwendete er fast nur vier Meter lange Hölzer. Die dadurch entstandene Modularität prägt den Charakter der Anlage in sehr subtiler Weise. Wohltuend sind auch die zwei größeren Volieren für die verschiedenen Adler.
Die bestechende architektonische Qualität dieser Anlage, die mich zuerst an ein 1 : 2 Modell einer Siedlung denken ließ und dann an Jørn Utzons Hofhaussiedlung in Fredensborg erinnerte, entsteht einerseits durch die aus der strengen landschaftlichen Gegebenheit entwickelte Anordnung dieser vielen ähnlichen Elemente und andererseits aus der komplexen Durchsichtigkeit der teilweise unterschiedlich offenen, vertikal strukturierten Holzlattenfassaden. Horizontale Elemente für die statische Aussteifung der dünnen Latten und den Hang begleitende Sockelbretter erzeugen eine feine Ausgewogenheit.
Warum diese doch recht massive Vergitterung der Volieren, wo doch überall in ähnlichen Situationen möglichst unsichtbare Netze verwendet werden? Das war eigentlich meine erste Frage an Mathias. Der Grund dafür ist die Sorge um die Gesundheit der Vögel, denn bei dünnen Stäben oder Gittern würden deren Augen auf die Ferne fokussieren, wodurch die Gefahr einer Verletzung entstünde, da Greifvögel auch auf kürzeste Distanzen hohe Fluggeschwindigkeit erreichen. Eine ähnliche Haltung um die Sorge der Tiere zeigt sich bei der Ausführung der Böden in den Käfigen, in denen, zwar aufwändiger in der Reinigung, Gras und Erde dominieren.
greifvogelpark telfes im stubaital
geöffnet Mitte Mai bis Mitte Oktober, Di bis So 11 .00– 17.00
www.greifvogelpark-telfes.at
Dank an die Gemeinde Telfes für die Übermittlung eines exakten Lageplans der Anlage, den ich überarbeitet und mit prinzipiellen Schichtenlinienverläufen ergänzt habe.
Die vielleicht berühmteste Architektur für im Zoo gehaltene Tiere ist der Pinguinpool des russisch-britischen Architekten Berthold Lubetkin, den er zusammen mit dem Statiker Ove Arup im Londoner Zoo plante. Die beeindruckenden Bewegungsmöglichkeiten der Pinguine auf den kühnen Betonspiralrampen und die weitgehend barrierefreien Begegnungsmöglichkeiten mit den Tieren faszinierten. Irgendwann mussten die Tiere jedoch ausgesiedelt werden, da Beton nicht verträglich für ihre empfindlichen Füße ist.
In der Zoo-Stadt Innsbruck gibt es die bemerkenswerte, kürzlich restaurierte Vogelvoliere auf dem Areal der Villa Blanka von Siegfried Thurner aus dem Jahre 1937 – vier Jahre nach Lubetkins Arbeit in London. Das neueste Werk im Alpenzoo ist ein mächtiger „puristischer Betonbau“ für „Fuchs, Dachs und Freunde“ von Mahore Architekten. In der Nähe befindet sich das handwerklich äußerst sehenswerte Gehege für die Waldrappe.
Ein Geheimtipp, aber nur schwer zu finden: Der beeindruckende Schwarz-Weiß-Film „Elefanten“ (2000) des Experimentalfilmers Karl Kels. Ruhig und gemächlich bewegen sich Elefanten vor dem einst symmetrischen, klassizistischen Elefantenhaus in Schönbrunn. Dann kommen Bagger und Motorsägen, und dann sieht man nervöse Affen vor dem neuen Affenhaus ...
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 3/25
