Im Juni 2020 sollten zwei "nimm 3"-Abende mit Protagonisten der Architektur der 1970er-Jahre in Tirol stattfinden, die aus den bekannten Gründen abgesagt werden mussten. Nun werden sich an einem Abend Siegbert Haas, Dieter Tuscher, Helmut Ohnmacht und Hermann Kastner anhand einiger Projekte den Themen alternative Wohnformen, Kritik und Experiment widmen und dem im Mai 2020 überraschend verstorbenen Andreas Egger gedenken.
Siegbert Haas, der nach seinem Studium fünf Jahre im Büro von Josef Lackner arbeitete, trat immer schon für die Freiheit des Einzelnen ein, die Gestaltung des Lebensraumes mitzubestimmen. Anhand einer kleinen Wohnanlage in Innsbruck, in der er selbst nach wie vor lebt, wird er die für ihn zentralen Themen umreißen, wie etwa das Schaffen von Privatsphäre im Innen- und Außenbereich.
Dieter Tuscher, der an der Akademie der bildenden Künste bei Roland Rainer studierte, realisierte Anfang der 1970er-Jahre in Igls eine Wohnanlage aus elf, um einen U-förmigen Hof gestaffelten Wohneinheiten. Auch dieses Konzept bot zu einer Zeit, da das Einfamilienhaus noch unangefochten seine Vorrangstellung behauptete, eine Alternative des Wohnens an.
Hermann Kastner, der an der TH Wien studierte, war zehn Jahre lang Mitarbeiter im Büro von Fred Achammer, bevor er 1974 ein eigenes Büro eröffnete. Neben seinem umfangreichen Oeuvre als bauender Architekt spielte er eine wesentliche Rolle in der 1969 reaktivierten Tiroler Landesgruppe der Zentralvereinigung der Architekten. Als Schriftführer und Vizepräsident meldete er sich regelmäßig über Medien zu Wort und nahm zu konkreten Bauvorhaben kritisch Stellung, etwa in einem Leserbrief zum Kreidzentrum.
Helmut Ohnmacht wurde in den 1970er-Jahren mit seinen Notunterkünften für Bergsteiger bekannt. Zu einem Zeitpunkt, als sich Reaktionsharze noch im absoluten Anfangsstadium befanden, konzipierte er ein modular erweiterbares System aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Das erste Polybiwak wurde 1970 im Glocknergebiet errichtet, weitere in den Anden und in der Antarktis, das derzeit jüngste im Herbst 2019 in Nepal.
siegbert haas
geb. 1937; Studium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien; seit 1968 selbständiger Architekt; u. a. Lehrtätigkeit an der HTL Innsbruck; Zahlreiche Bauten u. a. 1970 Studentenhaus Graz (mit R. Gratl); 1971 Wohnanlage Spornberger (mit R. Gratl und P. Thurner); 1977 Wohnanlage Pfarrgasse, Wien (mit L. Huber); 1996 Umbau Gemeindezentrum und Kindergarten, Mieders (mit H. Waldner)
dieter tuscher
geb. 1939; Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien; seit 1970 Büro in Innsbruck; u. a. Assistent und Lehrbeauftragter an der Universität Innsbruck sowie Professor an der HTBLA II, Innsbruck; Zahlreiche Bauten u. a. 1977 Kindergarten Niederndorf; 1988 Revitalisierung Liebburg, Lienz; 1992 Revitalisierung BORG Lienz; 1995 Wohnanlage Hopfgarten; 2008 Mädcheninternat, Stams
hermann kastner
geb. 1939; 1957 – 63 Studium an der TH Wien; 1964 – 74 Mitarbeit bei Fred Achammer; 1974 – 99 Büro in Innsbruck; Bauten u. a. 1978 Wohn- und Geschäftshaus Feldkirch; 1981 Haus Passer, Igls; 1993 Paketumleitpostamt, Hall i. T.; 1999 Haus für Senioren, Absam; 1994 – 99 Zu- und Umbau Chirurgische Klinik Innsbruck (mit H. Schlögl); Tätigkeit als Bausachverständiger, in der ZV und der Ingenieurkammer Tirol
helmut ohnmacht
geb. 1939; 1959 – 65 Studium an der TH Graz; u. a. Mitarbeiter bei Hans Loch und im Büro von Fred Achammer; seit 1979 selbständiger Architekt; ab 1970 Polybiwaks in mehreren Typen, u. a. Gruberscharte (1970), Laliderer (1971), Reporterkabinen für die Weltcuprennen Schladming (1974); Höhenmedizinische Station Chile (1974), Antarktis (1979/80); daneben u. a. Ortskernplanung, Haupt- und Volksschule in Losenstein (OÖ)
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