Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin!
Sehr geehrte Stadtsenatsmitglieder, Clubobmänner, Clubobfrauen und Gemeinderatsmitglieder!
„Alternative Mobilität schafft nicht nur Lebensqualität, sondern auch neuen Lebensraum. Das bedeutet, dass neue Stadtgebiete durch ihre bestmögliche Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz entstehen und wachsen können. Nur jene Stadtteile, die eine sehr gute Alternative zur Benützung des PKW anbieten, gelten als qualitätsvoll und lebenswert. Städteplanerische Entwicklungen sind eng gebunden an den Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes, was ein integratives, umfassendes Planen erfordert. Darüber hinaus ist ein gut ausgebautes Radwegenetz ein wesentlicher Aspekt für qualitätsvollen Lebensraum. Die Förderung dieser umweltbewussten Mobilitätsform in der Stadt Innsbruck muss aus diesen Gründen ein großes Anliegen sein. Als weiterer, wichtiger Baustein für die Schaffung hoher Lebensqualität ist es, verkehrsberuhigte Zonen zu schaffen. Und dies wiederum geht einher mit deren bestmöglicher Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz.“ (Martin Baltes)
Seit vielen Jahren zeichnet sich Innsbruck durch den politischen Qualitätsanspruch an die Baukultur wie jene Stadtentwicklungsstrategie aus, den Ausbau alternativer Mobilität maßgeblich zu fördern. Denn Innsbruck hat rechtzeitig und richtig erkannt, dass die Zukunft der europäischen Stadt nicht in den autogerechten Stadtplanungsstrategien der Nachkriegszeit liegt, sondern in der Förderung des öffentlichen Verkehrs, im Ausbau der fußläufigen Stadt und in der Erweiterung des Radnetzes, damit der Lebensraum von Innsbruck zukunftsfähig bleibt. Dieser weitblickende Paradigmenwechsel hin zur human verträglichen, kompakten Stadt der kurzen Wege und der dichten Mischung der Funktionen mit vor allem lebenswerten Außenräumen, entspricht der weltweit eingeschlagenen Strategie von Städten. Gerade aus diesem Grund verfolgt die IVB seit Jahren den Ausbau der Regionalbahn, bietet alternative Mobilitätskonzepte an und schafft mit öffentlichen Mitteln eine wichtige Grundlage für eine lebenswerte Stadt.
Insofern mutet es eigenartig an, wenn man den derzeitigen Planungsstand für die Grassmayr-Kreuzung betrachtet, der als Grundlage für die Entscheidung des Gemeinderates erarbeitet wurde. Denn die vorliegende Planung zeichnet sich durch eine, der derzeitigen Diskussion über Stadtentwicklung entgegengesetzte Haltung der Eindimensionalität aus, da sie zwar den Verkehrfluss der Kraftfahrzeuge zu optimieren versucht, aber jenseits dieser Problemlösung keinen Mehrwert für die Fußgänger, Radfahrer, vor allem aber für den urbanen Raum schafft. Durch diese rein verkehrtechnische Planung entsteht ein weitgehend monofunktionaler Raum, in gewissem Sinne ein urbaner Restraum, der überwiegend aus der Perspektive des Autos entwickelt wurde. Die Planung lässt eine Reflektion auf die seit Jahren in vielen Städten angewandten Strategien vermissen, die nachhaltig versuchen, neue multifunktionale urbane Räume zu entwickeln, um verkehrspolitische Fehler der Vergangenheit zu reparieren. Denn viele europäische Städte investieren mittlerweile vermehrt in den Rückbau von Strassen, fördern alternative Mobilitätskonzepte, verfolgen unterschiedliche Entschleunigungsstrategien und versuchen damit den Lebensraum Stadt aufzuwerten. Insofern stellt sich dem aut die zentrale Frage, welche Stadtentwicklungsstrategie hinter dieser derzeitigen Planung steckt und was man mit dieser massiven und teuren baulichen Maßnahme langfristig bezwecken will? Denn der vorliegende Entwurf erzeugt keine sichtbare Aufwertung des Südringes, löst nur ein kleinräumiges Problem mit hohem Aufwand, zementiert aber das Auto als den Stadtraum definierendes Moment ein und behindert langfristig das Entwicklungspotenzial dieses spannenden urbanen Raumes.
Ungeachtet der stadtentwicklungstechnischen Folgewirkungen des Projekts, stellen sich aber auch grundsätzliche Fragen zum Entwurf, denn gerade im Bereich der Olympiabrücke zeigt sich, dass der bis zu zweigeschossige Hochbau des Brückengebäudes mit Rampe massiv den städtischen Raum verändern wird und in der derzeitigen Darstellung wenig mit den sonst üblichen qualitativen Ansprüchen der Stadt Innsbruck zu tun hat. Auch die im Westen des Projekts erarbeitete Lösung, wonach zwei Rampen den Tunnel erschließen und dazwischen die Haltestellen“insel“ der IVB situiert ist, erzeugt eine stadträumliche Perforierung des Südringes, die sicher nicht zu einer höheren Aufenthaltsqualität in diesem urbanen Raum beitragen wird. Nicht einmal die durch den Tunnel gewonnen Grünfläche überzeugt, da sie mit größter Wahrscheinlichkeit nie jene Aufenthaltsqualität und Alltagstauglichkeit bekommen wird, die zum Verweilen notwendig ist. Vor allem die sichtbare problematische planliche „Wertung“ der Fußgänger und Radfahrer, deren Wegführung mehr als zu wünschen übrig lässt, verstärkt das Argument, wonach das derzeitige Konzept vorwiegend aus dem Betrachtungswinkel des Autoverkehrs entwickelt wurde. In diesem Sinne konterkariert diese Planung den von der Stadt eingeschlagenen Weg, Lebensraumqualität zu schaffen.
Daher fordert das aut. architektur und tirol den Gemeinderat auf, die Entscheidung für den derzeitigen Entwurf zu vertagen und sich eine Nachdenkpause zu gönnen, um in Ruhe über die Konsequenzen dieses Beschlusses zu reflektieren. Denn es wäre unserer Meinung nach sinnvoller und zukunftsfähiger das veranschlagte Budget in den Ausbau der alternativen Mobilität wie der Regionalbahn zu stecken, als in das vorliegende Projekt.
Daniel Fügenschuh, Rainer Köberl, Werner Kleon, Wolfgang Pöschl (für den Vorstand von aut)
Arno Ritter (Leiter aut. architektur und tirol)