christoph engel: superficies – ungefähre landschaft
ausstellung
„[zusammensetzen] ]– kombinieren, verbinden, addieren, zu einem Ganzen machen, aus bekannten Einzelteilen entsteht ein Neues, Ganzes, Großes. Manchmal sind die Teile abstrakt und nur das Ganze verständlich, manchmal eröffnet das Ganze wieder neue abstrakte Perspektiven. Einheit in der Vielheit. Vielheit in der Einheit. Neue Verbindungen schaffen Austausch und wenn sich Menschen zusammensetzen, nennt man es Kommunikation. Es entstehen neue Formen, Muster, Beziehungen und Räume. Unser Wissen, unsere Gedanken, unser Leben und unsere gelebte Umwelt setzen sich aus Fragmenten von Erfahrungen, Ereignissen und Erinnerungen zusammen. Das Eingreifen des Menschen in die Natur verändert räumliche Strukturen, die unsere „conditio humana“ widerspiegeln. Wir nehmen Fragmente dieser Welt wahr, verarbeiten sie in unserem Gehirn zu Bildern und konstruieren so individuelle Versionen der gelebten Umwelt. Die Collage ist ein Prinzip der Verfremdung und Abstraktion, aber auch der Erklärung und Konzentration. Existiert die Welt so wie wir sie wahrnehmen? Oder sind wir nur Illusionskünstler und Geschichtenerzähler?“ (raumtaktik)
Christoph Engel: Superficies – Ungefähre Landschaft
Christoph Engel bedient sich bei seiner Serie „Superficies“ dem für alle zugänglich und alltäglich gewordenen Programm Google Earth. Wie die Google-Fotografien selbst sind seine Bilder Konstrukte einer Landschaft, zusammengesetzt aus hunderten, oft zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommenen Einzelbildern. Engel verzichtet jedoch bewusst auf eine konkrete geographische Verortung seiner Bilder. Ihm geht es nicht um den Ort an sich, sondern um die Wahrnehmungsverschiebung, die durch die Einnahme dieser nicht alltäglichen Perspektive stattfindet.
In seinen Fotografien fehlt auch eine konkrete Zeitbestimmung. Das Nebeneinander unterschiedlicher Zeitlichkeiten innerhalb ein und desselben Bildes untergräbt damit ganz bewusst den scheinbar dokumentarischen Charakter des fotografischen Abbildes. Im Spannungsfeld von Bild und Abbild findet eine künstlerische Umformung statt, die die Frage nach der übergeordneten, sich autonom von Ort und Zeit im Bild konstituierenden Landschaft und daraus folgend die eigene Realität des Bildes ins Zentrum rückt.
Durch den Wechsel zwischen Distanz und Nähe offenbaren sich in Engels Fotografien entweder kleinste Details oder es dominieren großflächige Muster. So werden Siedlungsstrukturen zu einem ornamentalen Gewebe aus verwobenen Linien, die Flachdächer unzähliger Gewächshäuser zu einem dichten, teppichartigen Mosaik. Die Grüns eines Golfkurses in einer nackten, felsigen Landschaft erinnern plötzlich an eine ausgestreckte Hand und die Ränder künstlich bewässerter Felder gehen für einen Moment als Muster von Pailletten auf einem dekorativen Stoff durch. Der „göttliche Blick“ von oben vermittelt eine Abstraktion in Linien und Flächen, eine Über-Realität, die man so nie sehen oder erleben kann.
Christoph Engels „ungefährer“, räumlich und zeitlich unscharfer, Blick auf die Welt lässt Bilder von ambivalentem Charakter entstehen. Formal ästhetisch erzeugen sie zugleich ein Gefühl der Bedrückung, indem sie die Ausmaße menschlicher Eingriffe in die Natur zeigen: riesige Betonflächen, Suburbias, ökologische Katastrophen, landwirtschaftliche Großstrukturen oder Golfplätze mitten in der Wüste.
christoph engel geb. 1975 in Karlsruhe; 2001 – 06 Studiengang Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Dortmund; seit 2006 freier Fotograf (Landschaft, Architektur, Reportage) und Buchgestalter; Lehrtätigkeit an der Architekturfakultät, dem Institut für Kunstgeschichte und dem Institut für Bildende Künste der Universität Karlsruhe; seit 2009 Dozent für Schrift und Bild im Studiengang Fotografie an der Folkwang Universität der Künste, Essen; 2007 Mitarbeit an der Publikation und Ausstellungsreihe „Sichtbeton, Betrachtungen. Ausgewählte Architektur in Deutschland“; 2009 – 10 Publikation und Ausstellungsreihe „Ungefähre Landschaft“, u. a. C/O Berlin; Galerie Lindner & Schidlowski, Münster; Goethe-Institut Stockholm und Württembergischer Kunstverein (im Rahmen des Fotosommers Stuttgart)
Mit dem Verb "zusammensetzen" und dem Beitrag von Christoph Engel wird die über das gesamte Jahr 2010 gezeigte, von Matthias Böttger, raumtaktik kuratierte Ausstellungsreihe aut.raumproduktion abgeschlossen.
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